und zu meinen Grenzen in der Stillberatung: Cindy
Unter all den Beratungen, die so im Lauf der Jahre zusammenkommen, ist mir – unter den Gesichtspunkten der Kommunikation – eine besonders heftig in Erinnerung geblieben: Die Mutter, Cindy, welche wenige Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes, einem Mädchen, meinen Rat suchte, war mir aus einem meiner Eltern-Baby-Kurse bekannt. Ihr Sohn Levi war bei unserer ersten Begegnung bereits 8 Monate alt; nach ihren Angaben hatte sie nicht lange stillen können, hatte sogar Frauenmilch anderer Mütter erworben, und ich erinnere mich sehr deutlich, dass sie den Wert der Muttermilchernährung sehr hoch ansetzte und zutiefst bedauerte, nicht besser/länger stillen zu können. Die genauen Gründe dafür gingen damals unter, da in den Kursen auch Eltern die Flasche geben und das Stillen in dem Moment kein Thema war. Insgesamt hat sie großen Wert auf die Bedeutung des Tragens für ihre Beziehung zum Kind gelegt; und auch ihr sonstiges Umgehen mit dem Jungen war geprägt von den Wertmaßstäben des „attachment parenting“, dazu sehr entspannt und überhaupt nicht „verkopft“, eine sehr liebevolle Mutter.
Nun zum zweiten Kind, Tochter Mila: Während sie frühzeitig Hilfe suchte, gab es noch gar kein Stillproblem; sie erfragte eher präventiv, wie sie dieses Mal vermeiden könne, wieder in das Stadium „die Milchproduktion reicht offenbar nicht“ zu geraten. So weit, so schön, nach dem „Abklappern“ aller naheliegenden Fragen zum Saugverhalten, der Geburt, der Gewichtsentwicklung, der Häufigkeit der Stillmahlzeiten, zur Nachbetreuung (die übrigens top war!), zum Tag-Nach-Rhythmus etc. und den Vergleichen (soweit möglich) aus der Erfahrung beim ersten Kind, musste ich zunächst um eine Denkpause bitten; ich fand erstmal keine „Fehler im System“.
Es ging auch noch etwa 3 Wochen alles gut; wir blieben lose in Kontakt, und ich hatte so ein „Türchen im Hinterkopf“ offen, das nach Anzeichen suchte, was die Produktion stagnieren lassen könnte. Wir vereinbarten – trotz Corona – einen Termin, damit ich vorbeikäme, um auch in Augenschein zu nehmen, wie sich das Kind verhält. Vielleicht ergäbe sich hier ein Hinweis, der sich schwer erfragen lässt? Kurz vor unserem Treffen – Corona-konform im Garten bei halbwegs angenehmen Temperaturen – erhielt ich eine WhatsApp-Nachricht, bei der ein Halbsatz mich völlig vor den Kopf stieß: „…sind ja pro Brust 1,9kg entfernt worden.“ Eine OP?!?!? Um zu verstehen, wie konsterniert ich war, muss hier ergänzt werden: Ich selbst habe etwa Körbchengröße „knapp B“, Cindy dagegen eher „Doppel-D“. Es hatte also eine deutliche Brustverkleinerungsoperation gegeben? Der Ausgangpunkt einer solchen OP überstieg schlichtweg mein Vorstellungsvermögen. Mir war einfach nie der Gedanke gekommen, dass die – für meinen Begriff recht große – Brust hätte operiert sein können. Von diesem Standpunkt aus, hatte ich das offenbar total überhört!
Ich bin dies mit vorsichtigen Worten im persönlichen Gespräch angegangen; Cindy war sich sicher, diese Tatsache Jahre zuvor im Eltern-Baby-Kurs erwähnt zu haben. Mit diesem Wissen wurde das Stillproblem klar: Die Anzahl der Drüsen sowie vielleicht auch ein paar Milchkanäle fehlten schlichtweg; es gab sogar „Lochgefühle“ im Gewebe, das sehr weich und gedehnt schien. Auch die nachbetreuende Hebamme hatte das bestätigt (und ich hatte hier offenbar auch nicht alles gehört). Ich war untröstlich, nicht helfen zu können, und Cindy war es zunächst auch. Doch die Gewissheit, alle Möglichkeiten (einschl. BES) ausgeschöpft zu haben, hat sie ein Stück weit mit diesem Hindernis ausgesöhnt und auf jeden Fall – das kann ich mit Sicherheit sagen! – ihre liebevolle Beziehung zu beiden Kindern nicht eingeschränkt.
Rückblickend ist mir wichtig aufzuzeigen, dass man/frau/ich auch ganz wesentliche Dinge überhören kann.
Dorothee Schmitz, DAIS-Gesellschafterin und Stilberaterin (seit 2011)