Beginn der reichlichen Milchbildung

Folgendes passiert bekanntlich in den Tagen nach der Geburt: Durch die Ablösung der Plazenta sinkt der Progesteronspiegel, das Prolaktin kann auf die Alveolen einwirken, die reichliche Milchbildung wird angestoßen. Das ist ein physiologischer Prozess. Unter physiologischen Bedingungen läuft er störungsarm ab.

Leider haben wir in unserer heutigen Zivilisation selten physiologische, natürliche Bedingungen rund um die Geburt. Stattdessen haben wir oft fest verankerte, unphysiologische Routinen und Empfehlungen für diese Phase. Wenn der Mutter der unmittelbare Hautkontakt mit dem Neugeborenen verwehrt wird oder ausgiebiger Hautkontakt medizinisch nicht möglich ist und sie nicht früh und häufig und entspannt stillen oder Muttermilch gewinnen kann, dann kommt es oft zu einer verspäteten und überschießenden Reaktion: Starke Durchblutung der Brust, starke Lymphbildung und vermehrte Milchbildung können zu einem Ödem, einer Ansammlung von Flüssigkeit, führen, und somit zu harten, geschwollenen, schmerzhaften Brüsten. Unter der Geburt gegebene Infusionen können diese Ödembildung noch verstärken.

Diese Situation wurde früher mit dem Begriff Milcheinschuss beschrieben. Der Begriff beschreibt das plötzliche und heftige Auftreten gut. Inhaltlich trifft er es aber nicht so ganz, weil hauptsächlich Blut und Lymphe vermehrt sind und nicht allein die Milch.

Der Begriff initiale Brustdrüsenschwellung benennt korrekt den in dieser unphysiologischen Situation auftretenden Überschuss in allen Flüssigkeitskompartimenten und die damit verbundene Ödembildung. Der Begriff beschreibt allerdings nicht den zugrundeliegenden physiologischen Prozess – den hormonell bedingten Umschwung zur reichlichen Milchbildung – sondern eine mögliche Begleiterscheinung.

Beide Begriffe können ziemlich negative Gefühle und Assoziationen auslösen. Einer Schwangeren zu sagen, ihre Stillzeit werde mit einem Milcheinschuss oder einer initialen Brustdrüsenschwellung beginnen, klingt eher ausladend als einladend.

Es geht auch anders. Wenn die Mutter von Geburt an viel Hautkontakt mit ihrem Neugeborenen hat und häufig und entspannt stillen oder zumindest Muttermilch gewinnen kann, dann kommt es zu einem frühen, gleichmäßigen, entspannten Anstieg der Milchbildung. Die Brust wird größer und fester, aber nicht schmerzhaft geschwollen.

Der Beginn der reichlichen Milchbildung ist ein physiologischer Vorgang. Wir sollten ihn unterstützen und nicht beeinträchtigen. Und wir sollten ihn einladend benennen.